Die „Vogelgrippe“, in ihrer gefährlichen Variante als „Geflügelpest“ bezeichnet, sorgt in regelmäßigen Wellen für hysterische Ausbrüche in Politik und deren lobbyistischem Umfeld. Dann werden gegen Vernunft und wider besseres Wissen Tausende von Nutzvögeln qualvoll vernichtet (gekeult), nur weil ein harmloses („niedrig pathogenes“) Vogelgrippevirus des Subtypus H5 oder H7 im Bestand nachgewiesen wurde. Allein zu diesen beiden Subtypen gehören auch die Geflügelpest-Viren.
Wir alle wissen: Grippevirus ist nicht gleich Grippevirus. Etwa jeder vierte Schnupfen beim Menschen geht auf „niedrig pathogene“ Grippeviren zurück. „Hoch pathogene“ Grippeviren ziehen oft bakterielle Entzündungen der Atemwege nach sich und haben mitunter gefährliche Folgen für die Erkrankten. Wer immunstark ist, wird mit solchen Krankheitserregern gut fertig, auch ohne Impfung. Vorerkrankte und sehr junge oder sehr alte Individuen, die noch oder schon immunschwach sind, können einer schweren Grippe schon eher zum Opfer fallen. Das gilt gleichermaßen für Mensch und Tier.
Die Mutation eines harmlosen Vogelgrippe-Virus zu einem gefährlichen Geflügelpest-Virus ist ein extrem seltenes Ereignis. Es tritt umso wahrscheinlicher ein, je häufiger das Virus seinen Entwicklungszyklus erfolgreich durchlaufen kann. In einem gesunden Bestand läuft sich eine Grippewelle schnell tot, weil die Viren der Immunabwehr zum Opfer fallen und nicht zu gefährlichen Erregern mutieren können. Oft wird die Erkrankung nicht einmal erkannt und kann dann nur durch Antikörper-Untersuchungen im Labor nachgewiesen werden.
Ganz anders ist die Lage in der industriellen Massenhaltung von Geflügel. Dort stehen die Tiere wegen der artwidrigen Bedingungen ständig unter Stress, der das Immunsystem schwächt. H5- oder H7-Grippeviren können sich dann massenhaft vermehren und sich schnell im Bestand ausbreiten. Die Gefahr, dass dann einige wenige der Viren zu Killerviren mutieren, ist vieltausendfach größer als in der bäuerlichen Freilandhaltung.
Vielfach belegt ist, dass Geflügelpestviren aus der industriellen Geflügelmassentierhaltung in die Natur gelangten und dort Wildvögel an Geflügelpest erkranken ließen. Für den umgekehrten Vorgang gibt es keinen Beleg, denn wenn Wildvögel an Geflügelpest leiden, sterben sie viel zu schnell, als dass sie zur Verbreitung des Erregers beitragen könnten
Wer die Gefahr der Entstehung von gefährlichen Geflügelpest-Killerviren nachhaltig bannen will, muss für artgemäße und tierschonende Verhältnisse in der Geflügelhaltung sorgen. Ein Verbot der Freilandhaltung schützt also nicht vor der Vogelgrippe.
Sievert Lorenzen
Unsere Forderungen:
- Abkehr von der Aufstallpflicht für Geflügel in Hobby-und Freilandhaltungen
- Keine Bestandskeulungen im Verdachtsfall oder beim Nachweis niedrigpathogener AI-Viren
- Drastische Verbesserungen in den Haltungsbedingungen auf nationaler und internationaler Ebene für gewerbliche Geflügelhaltungen durch erheblich niedrigere Bestandsgrößen und Besatzdichten
- Zuchtselektion auf Vitalität der Tiere anstatt größtmöglichen Fleischzuwachs und Legeleistung
- Verbot von Langstreckentiertransporten für Lebendgeflügel
- Verbot des Im- und Exports von Geflügelmist
7. Beiträge in den Tierseuchenkassen sollten einer Risikostaffelung unterliegen, in Abhängigkeit von der Art der Haltung beziehungsweise Besatzdichte im Betrieb
Foto: PROVIEH
Weitere Informationen
- FAQs - Die wichtigsten Fragen zur Geflügelpest/Vogelgrippe im Überblick (06.11.2020)
- "Evolution und Ausbreitung des Vogelgrippe-Virus H5N1 Asia sowie Aspekte der Biosicherheit" von Prof. Dr. Sievert Lorenzen (In: Tierärztl. Umschau 63, 333 – 339 (2008))
- "The Ikarus Syndrome in the poultry industrie and the concern about a new great influenza pandemic: what to learn from Ikarus’crash" von Prof. Dr. Sievert Lorenzen (In: Global View of Fight against Influenza, 2009)
Unsere Berichte:
-
Geflügelpest und Zoonosen: Die verkannte Gefahr aus der Geflügelindustrie (23.02.2021)
- Alle Jahre wieder: Geflügelpest als Folge industrieller Massenhaltung von Geflügel (November 2020)
- Stallpflicht wirkungslos im Kampf gegen Geflügelpest (10.03.2017)
- Geflügelpest - ein Problem für die Geflügelindustrie, nicht für die Natur (10.03.2017)
- Die wahren Ausbreiter von Geflügelpest - warum nennt das Friedrich-Löffler-Institut sie nicht? (28.11.2016)
- Geflügeltod durch das Vogelgrippe-Virus H5N8: Spielen Lüftungsanlagen eine Rolle? (15.11.2016)
- Vogelgrippe-Ausbruch in Bayern (11.12.2015)
- Neue Vogelgrippe-Ausbrüche in den USA: Noch kein Ende in Sicht (11.05.2015)
- Vogelgrippe in den USA: Millionen Tiere müssen getötet werden (06.05.2015)
- H5N8 Chronik des WAI zeigt: Entenindustrie biounsicher, Wildvögel und Freilandgeflügel biosicher (18.02.2015)
- H5N8 im Rostocker Zoo - verfütterte Eintagsküken als des Rätsels Lösung? (12.01.2014)
- H5N8 - täuscht das FLI arglistig? Hektischer Aktionismus in der Politik (22.12.2014)
- H5N8 im Cloppenburger Raum. Das große Keulen und das Versagen des FLI (17.12.2014)
- H5N8 - das FLI muss aufrichtig werden (04.12.2014)
- H5N8 - über schmutzige Praktiken und schmutzige Phantasien (26.11.2014)
- Das FLI-Problem mit der Vogelgrippe (19.11.2014)
- Gefährdet Vogelgrippe die Vernunft? (07.06.2012)
- Massenkeulung – ein Fall für das Gericht (22.07.2011)
- Geflügel: Keine Aufhebung der Stallpflicht in Sicht! (14.04.2011)
- Neue Massenkeulungen wegen Vogelgrippe (09.06.2011)
- Aufstallungsgebot in der Geflügelhaltung soll fallen (04.11.2010)
- Verdacht auf Vogelgrippe löst Massenkeulung von spanischen Hühnern aus (14.10.2009)
- Verwaltungsgericht Gera erteilt dem Rechtsschutz und dem Tierschutz eine Absage (19.03.2008)
- Neue Geflügelpest-Verordnung - das Ende der Freilandhaltung? (16.12.2007)
- Die Schrecken der Stallpflicht - Erfahrungsbericht eines Rassegeflügelzüchters zum Aufstallungsgebot (06.2006)
- Frankreich und die Niederlande dürfen gegen Vogelgrippe impfen (22.02.2006)
- Vogelgrippe - schon wieder die Unverhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel (12.2005)
Weitere Informationen unter:
WAI (Wissenschaftsforum Aviäre Influenza)
- Center for Disease Control: http://www.cdc.gov
- Friedrich-Löffler-Institut: http://www.fli.bund.de
- Robert-Koch-Institut: http://www.rki.de
- Verbraucherministerium: http://www.bmelv.de
- Weltgesundheitsorganisation: http://www.who.int
- Wikipedia: Influenza A/H5N1
Topaktuell, aber aus Sicht der Tierindustrie berichten:
Lesen Sie daher auch immer unsere Kommentare zu den Meldungen.